Pressemitteilung Brüssel / Heidelberg, 20. März 2019
Slowakischer Präsident Andrej Kiska mit dem Europäischen
Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma ausgezeichnet
Der slowakische Staatspräsident Andrej Kiska erhielt am 19. März 2019 in
Brüssel den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma. Bei der
Preisverleihung betonten der Laudator Staatsminister Roth und weitere Redner
die Bedeutung eines entschiedenen Eintretens gegen den Antiziganismus auf
europäischer Ebene. Der mit 15.000 Euro dotierte Preis wurde vom
Dokumentations- und Kulturzentrum und dem Zentralrat Deutscher Sinti und
Roma gemeinsam mit der Manfred Lautenschläger-Stiftung vergeben.
„Manche sagen, man könne den Respekt einer Gesellschaft für Menschenrechte und
Demokratie daran messen, wie mit Minderheiten umgegangen wird“, sagte der
Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth. Diesbezüglich, so Roth,
sei er tief besorgt über Europa und Gesellschaft.
Dagegen würdigte er den Einsatz des slowakischen Staatspräsidenten Andrej Kiska,
der sich in Zeiten, in denen Populisten und Nationalisten lauter werden und
Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus und Homophobie zunehmen, für die
Rechte von Roma in seinem Land einsetzt. Außerdem sprach Roth sich vehement für
die Stärkung gesellschaftlicher und politischer Teilhabe von Sinti und Roma aus: „Wir
müssen sicherstellen, dass Europas größte Minderheit angemessen in Parlamenten
und Regierungen auf verschiedenen Ebenen vertreten ist. Die Stimme der Roma
gehört nicht an den Rand der Gesellschaft.“
Soziale Teilhabe und Chancengleichheit ist auch für den Laureaten, Präsident Andrej
Kiska, ein zentrales Thema. Er sagte, dass trotz des Wohlstands europäischer Länder
„zu viele Menschen hinterherhinken. Menschen, denen nicht die gleichen
Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wie den meisten von uns. Armut, Ungleichheit,
Diskriminierung oder sogar Gewalt gegen gefährdete gesellschaftliche Gruppen zu
bekämpfen, sollte unser oberstes Ziel sein.“
Roma-Minderheiten machen fast ein Zehntel der slowakischen Bevölkerung aus.
Präsident Kiska sieht darin eine große Chance für sein Land: „Das sind
vierhundertausend Roma, die ein großartiges wirtschaftliches Potential in Bezug auf ihr
Talent, ihre Arbeitskraft und als Verbraucher bilden.“
In Ländern wie Ungarn, der Slowakei oder Tschechien ist die Situation von Sinti und
Roma auch heute noch besorgniserregend und es kommt immer wieder zu Gewalt
gegen Angehörige der Minderheit. Darauf wollte die Jury mit ihrer Entscheidung,
Präsident Kiska mit dem Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma
auszuzeichnen, in diesem Jahr den Fokus legen, wie Catharina Seegelken,
Geschäftsführerin der Manfred Lautenschläger-Stiftung erklärte.
Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma wollte die Kritik
aber nicht auf diese Länder beschränken, sondern machte klar, dass in West- und
Mitteleuropa eine Ächtung des Antiziganismus und eine reflektierte Position zur
Geschichte und zu Minderheitenrechten bei führenden Politikern ebenfalls keineswegs
selbstverständlich seien. So forderte der italienische Innenminister Salvini 2018, dass
Sinti und Roma in Italien in einem sogenannten „Personenregister“ gesondert zu
zählen und zu erfassen seien. Daher gelte es, sagte Rose, „dem strukturellen
Rassismus, den es in vielen Institutionen, auch der Europäischen Union, gibt,
geschlossen und entschieden entgegenzutreten“.
Auch die schwedische Europaabgeordnete und Co-Präsidentin der European
Parliament Anti-Racism and Diversity Intergroup (ARDI), Soraya Post, betonte die
Aktualität der Gefahr von Antiziganismus und Rassismus in Europa. Sie sagte: „Hier
müssen wir alle stark und deutlich sein und sagen, dass wir diesen Hass und diese
Ausgrenzung nicht akzeptieren. Wir müssen die Normalisierung von Hass und
Rassismus stoppen, bevor sie unsere Gesellschaften zerstört. Wir, die in Demokratie
und Menschenrechte vertrauen, müssen uns gemeinsam erheben und die Rechte
jedes Einzelnen schützen.“
Grußworte kamen von dem Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Rainer
Wieland, der Direktorin des Hauses der Europäischen Geschichte, Dr. Constanze Itzel
und der EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Věra
Jourová. Sie würdigten die Leistungen des Preisträgers Andrej Kiska und plädierten
dafür, die Gleichstellung von Roma in Europa weiter voranzutreiben, die
Menschenrechte von Minderheiten zu schützen und den Stimmen der Roma Gehör zu
verschaffen.
Zum Hintergrund:
Der Europäische Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma
Vor dem Hintergrund der äußerst besorgniserregenden Menschenrechtssituation der
Sinti und Roma in vielen europäischen Staaten soll der Europäische Bürgerrechtspreis
ein Beitrag zur Wahrung und Durchsetzung der Bürgerrechte der Angehörigen der
Sinti- und Roma-Minderheiten in ihren jeweiligen Heimatländern sein. Er wurde 2007
anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Dokumentations- und Kulturzentrums
Deutscher Sinti und Roma, vom Dokumentationszentrum, dem Zentralrat Deutscher
Sinti und Roma und der Manfred Lautenschläger-Stiftung ins Leben gerufen und ist mit
15.000 Euro dotiert.
Die Schirmherrschaft des Präsidenten des Europäischen Parlamentes, Antonio
Tajani, und des Generalsekretärs des Europarates, Thorbjørn Jagland, unterstreicht
die Bedeutung des Europäischen Bürgerrechtspreises der Sinti und Roma
außergewöhnliche Einzelpersonen oder Institutionen der Mehrheitsgesellschaft zu
würdigen. Die Laureaten setzen sich beispielhaft für Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit ein und sind – angesichts der langen Geschichte des
Antiziganismus – Vorbilder in ihrem Bemühen die Menschenrechtssituation der Sinti
und Roma zu verbessern. Die bisherigen Preisträger sind Wladyslaw Bartoszewski
(†), ehemaliger Staatssekretär und außenpolitischer Berater des polnischen
Ministerpräsidenten (2008), Simone Veil (†), ehemalige Präsidentin des Europäischen
Parlaments (2010), Thomas Hammarberg, ehemaliger Menschenrechtskommissar
des Europarats (2012), Tilman Zülch, Mitgründer und Präsident der Gesellschaft für
bedrohte Völker (2014) und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International
(2016).
Der Stifter des Preises
Dr. h.c. Manfred Lautenschläger ist einer der Gründer des seit 1971 bestehenden
Finanzdienstleisters MLP. In der Zeit von 1984 bis 1999 fungierte er als deren
Vorstandsvorsitzender und wechselte dann in den Aufsichtsrat des Unternehmens. Im
Jahr 2002 rief er die Manfred Lautenschläger-Stiftung ins Leben, deren Zweck die
Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur
sowie der Völkerverständigung ist. Manfred Lautenschläger ist Ehrendoktor der
theologischen Fakultät der Universität Heidelberg, Ehrensenator der Universität
Heidelberg und der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg sowie Mitglied des
Universitätsrates der Universität Heidelberg. Seit Juli 2002 gehört Manfred
Lautenschläger dem Kuratorium des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher
Sinti und Roma an.
Redemanuskripte, hochauflösendes Fotomaterial und weitere Informationen
finden Sie in der digitalen Pressemappe unter: https://bit.ly/2HJxd04
Weitere Informationen unter www.sintiundroma.de/brp-2019.html
v.l. Oswald Marschall, Romani Rose, Michael Clauß seit August 2018 ständiger
Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union